Bericht aus der Dülmener Zeitung / Foto: Thomas Wottka

WesterborkDülmen.  Fünf Tage waren sie auf dem Rad unterwegs, knapp 350 Kilometer legten sie bei Wind und Wetter zurück: In der Osterwoche waren 25 Dülmener Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren mit Pfarrer Markus Trautmann in die Niederlande geradelt. Ihr Ziel: die KZ-Gedenkstätte Westerbork in der Provinz Drenthe. Zwei Nächte verbrachte die Gruppe in einem Scout-Camp in der Nähe. 

Das Lager Westerbork diente den Nazis als Sammel- und Durchgangsstelle für die Verschickung von 107.000 Juden in die Vernichtungslager in Osteuropa. Auch acht Dülmener Juden, die zuvor von Deutschland ins vermeintlich sichere Holland geflohen waren, gingen von hier in den Tod. „Es ist schon was Besonderes, Geschichte nicht nur in Schulbüchern zu lesen, sondern an einen solchen Ort zu kommen“, kommentiert die 14-jährige Anna. 

Eine erste Einführung ins Thema hatte es bereits bei einem Infoabend in der Karwoche gegeben, den der Dülmener Pädagoge Theo Schwedmann gestaltete. Während der Radtour gab es zudem Themenabende zu Anne Frank und Edith Stein. 

Vor Ort führte eine junge FSJ’lerin die Dülmener zunächst einmal über das ausgedehnte Lagergelände. „Viel zu sehen gibt es eigentlich gar nicht“, so Lea (14) fast enttäuscht. Andrerseits: „Es ist zum Glück nicht so grauenvoll, wie wir befürchtet hatten“, ergänzt die gleichaltrige Hanna-Marie. Makabererweise ist einzig die Dienstwohnung des KZ-Kommandanten vollständig erhalten. Ansonsten: ein Teil der Bahngleise, ein alter Kartoffelbunker, ein Wachtturm, viel Stacheldraht. Einige Baracken wurden in Teilen wiederaufgebaut, es gibt einige Erläuterungstafeln und Klanginstallationen, erst kürzlich gelangten zwei historische Güterwaggons hierher. Umso anschaulicher und ergreifender ist die Ausstellung im Dokumentationszentrum, rund zwei Kilometer entfernt. 

Hier traf die Dülmener Gruppe auf Rob Fransmann, einem 75-jährigen niederländischen Juden. Er berichtete, wie seine Vorfahren vor rund 200 Jahren als arme Ostjuden nach Holland einwanderten und sich hart Wohlstand und Ansehen erwarben. Rob Fransmann wurde als Kleinkind 1942 von seinen Eltern getrennt und vom Kindermädchen bis zum Kriegsende bei 14 verschiedenen Familien untergebracht. Während die Eltern über Westerbork in die Vergasung gingen, überlebte Rob die deutsche Besatzung - allerdings schwer traumatisiert. 

Ergriffen lauschten die jungen Leute seiner Schilderung: Als Heranwachsender galt er als „schwer erziehbar“, wurde ins Kinderheim gesteckt, ging bereits mit 14 Jahren als Hilfsarbeiter in eine Fabrik. Erst später kam sein Leben zur Ruhe, er gründete eine Familie und fand auch beruflich seinen Weg. „Unglaublich, wie schockierend sein Leben verlief, als die Nazizeit doch vorbei war“, so die Reaktion von Jörn. 

Nach der Zeitzeugen-Begegnung ging es zurück aufs Lagergelände, wo die Gruppe an der „Strafbaracke“ einen Gottesdienst feierte. Abschließend wurde an der Gedenkstätte von Westerbork ein Gedenkkranz für die Dülmener Juden abgelegt und ein Lied gesungen. Die Gedenkstätte selbst besteht aus über 100.000 kleinen Keramikblöcken, die sich auf einer gepflasterten Silhouette der Niederlande aneinander reihen - für jeden abtransportierten Juden einen, so auch für die acht Namen von der Kranzschleife: Regina und Friederike Bendix, Isidor und Berta Davidson und ihre Söhne Hermann und Walter, Kurt Frankenberg sowie Hans Salomon.