Bericht der Dülmener Zeitung / Fotos: Bistum Münster


Reliquie3Herbst 2010. Bei den Bauarbeiten in der Viktorkirche wird der Altar der Marienkapelle abgebaut. Als der Altarstein gehoben wird, finden Arbeiter eine versiegelte Bleidose. Der Inhalt schließt Lücken in der Geschichte der Kirchengemeinde und des Bistums.

Denn der 6,7 Zentimeter hohe Behälter mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern beinhaltet Zeugnisse aus mehreren Jahrhunderten Kirchengeschichte.

An den Fundort wurde die dunkle Bleidose 1975 von Pfarrer Alois Stüper gelegt. Dies geht aus einem Schreiben hervor, das Stüper in einem anderen Behälter neben die Reliquien gelegt hatte. „Der Altar der Marienkapelle wurde 1975 gebaut, und die Dose darin eingemauert“, erklärt Pfarrdechant Markus Trautmann.

Die Bleidose selbst stammt aus dem Jahr 1862. Am 28. Oktober war der alte Hochaltar vom damaligen Weihbischof Johannes Boßmann eingeweiht und der Behälter eingemauert worden. Den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg auf Dülmen fiel auch der Altar zum Opfer. „Anscheinend ist die Reliquiendose in den Trümmern gefunden worden und wurde dann irgendwo im Pfarrhaus oder der Kirche aufgewahrt“, so Trautmann. Denn seit 1937 gibt es einen anderen Reliquienbehälter, der heute in einem gläsernen Kasten im Messaltar steht. Darin befinden sich Reliquien des heiligen Viktors.

Neben dem Schreiben von Weihbischof Boßmann enthält die gefundene Bleidose einen Knochen, der wohl vom heiligen Valentin stammt. „Zumindest spricht Boßmann in seinem Schriftstück von Valentin“, so Trautmann. Dies würde zumindest zeitlich passen. Der heilige Viktor verstarb 313/314, Valentin um 350.

Der interessanteste Fund ist aber eine kleinere Bleidose, die neben den Knochenfragmenten und dem Schreiben in dem Gefäß von 1862 entdeckt wurde. Dieser Behälter ist wesentlich älter und enthält neben nicht weiter bekannten Partikeln ein Schriftstück. „Das Schreiben ist aus dem Jahr 1488 und stammt von Weihbischof Johannes Imminck“, erklärt Trautmann.

Und damit schließen sich einige Lücken in der Geschichte der Gemeinde und des Bistums. Die Reliquien wurden nach der Fertigstellung des neuen Chorraumes am 18. Oktober 1488 bei der Weihe des neuen Altares in den Altarstein eingelassen. „Das genaue Datum der Weihe war uns bisher nicht bekannt“, so Trautmann. Auch in der Chronik der Gemeinde zum 1200. Geburtstag ist das genaue Datum nicht vermerkt. Im Bistumsarchiv war die Amtszeit von Weihbischof Imminck bisher nur von 1472 bis 1484 verzeichnet. Jetzt kann die Amtszeit konkretisiert werden. „Die Bleidose enthält ein kleines Stück Kirchengeschichte“, sagt Trautmann.

Der Pfarrdechant hatte die Bleidose zum bischöflichen Sekretär nach Münster gebracht. Dieser ist unter anderem für die Reliquienvergabe zuständig.

Dort wurde die Dose im Beisein von Trautmann geöffnet. Schriftexperten des Bistums- und des Diözesanarchivs hatten den Fund begutachtet. Die einzelnen Stücke wurden fotografiert, die lateinischen Texte der Weihbischöfe erfasst.

Vor einigen Tagen holte Trautmann die Bleidose wieder ab. Sie steht jetzt im gläsernen Schrein der Kirche im Messaltar. „Wir wollen den großen Reliquienbehälter öffnen und die Bleidose dort hineingeben“, sagt Trautmann. Zwar blieben die alten Siegel erhalten, die Dose wurde aber mit neuen Siegeln von Bischof Felix Genn verschlossen.