Nach einer unglaublichen Odyssee ist der Jesus der Roruper Krippe wieder daheim.

Dieses Jesuskind wurde gekidnappt, beschmiert und verstümmelt. Im Graben liegengelassen, von Fäulnis bedroht. Nur durch Zufall gerettet von einem Fremden, der es mitnahm ins Erzgebirge. Aber ab morgen ist dieser Jesus wieder da, wo er hingehört: in der Krippe der Roruper St.-Agatha-Kirche. Ein wahrer Krimi geht damit zu Ende - und zwar mit einem richtigen Happy End.

Rückblick. Am 29. Dezember 2022 ist der Schock im Dorf groß. Unbekannten haben das Christkind aus der Kirchenkrippe gestohlen. Eine sofort angelaufene Suchaktion rund um Kirche und Park bleibt erfolglos, die Figur verschwunden. „Die ganze Gemeinde hat eigentlich mitgelitten“, erinnert sich Küsterin Margret Döveling. Die Verantwortlichen stellen Anzeige bei der Polizei, appellieren auch via DZ an die Täter, doch bitte den Jesus zurückzugeben - aber bald schon schwindet die Hoffnung, die wichtigste Figur der Krippe jemals wiederzusehen. Bis genau sechs Monate später ein Paket, abgeschickt im sächsischen Pulsnitz, die Gemeinde erreicht.

In der Nähe von Dresden betreibt nämlich der Diplomdesigner und Holzgestalter Karsten Braune seine Werkstatt. Der gelernte Spielzeugmacher reiste Mitte April für einen Auftrag ins Münsterland. Irgendwo zwischen Dülmen und Rorup hielt er an, um sich zu orientieren - und bemerkte eine kleine Holzfigur im Graben. „Total verschmutzt und zerbrochen“ sei der kleine Jesus gewesen, beschrieb es der Finder später gegenüber der DZ. Dazu obszön beschmiert, eine Hand fehlte, ein Arm war ab, am Hinterkopf bereitete sich bereits ein Pilz aus. Kurzerhand nahm der Holzexperte die Figur mit nach Haus ins Erzgebirge. In seiner Werkstatt beseitigte Braune dort die größten Schäden, befestigte den Arm, schnitt den Pilzbefall heraus und entfernte die Kugelschreiber-Schmierereien.

Er und seine Frau begannen schließlich, die Herkunft der Figur zu recherchieren. Sowohl über die Stadt Dülmen als auch Bekannte aus Münster erfuhren sie bald vom gestohlenen Roruper Jesuskind. Bei der Identifizierung halfen auch die Berichte, die nach dem Diebstahl in der DZ erschienen waren. Im Juni, fast genau sechs Monate nach Weihnachten, kehrte das Christkind per Post zurück nach Rorup. Dort war die Freude groß - und die Dankbarkeit gegenüber dem Finder.

Diese unglaubliche Geschichte erzählt die Gemeinde nun auf einer Infotafel, die an der Krippe in der Kirche hängt. Denn dass ausgerechnet ein Spielzeugmacher und Holz-Experte die Figur findet und vor dem Verfall rettet: „Die Umstände des Fundes waren ein absoluter Glücksfall - oder göttliche Fügung“, fasst es Michael Döveling vom Ortsausschuss St. Agatha zusammen.

Ganz unbeschadet hat der kleine Jesus seine Odyssee allerdings nicht überstanden. Die rechte Hand fehlt, das Gesicht ist leicht verwittert, am Gewand und Hinterkopf wurde deutlich sichtbar etwas herausgeschnitzt, die Rückseite zeigt noch Fäulnisspuren. Nach seiner Rückkehr nach Rorup gab die Gemeinde die Figur an Willi Potthoff, der sie einst gefertigt hatte. Der Holzkünstler beseitigte faule Stellen und arbeitete sie etwas auf - beließ sie aber ansonsten in ihrem Zustand. Obwohl es möglich gewesen wäre, beispielsweise die fehlende Hand zu ersetzen oder neue Farbe aufzubringen.

Denn der Ortsausschuss hatte einstimmig dagegen votiert. „Wir haben uns entschieden, die Figur in ihrem Zustand zu belassen“, berichtet Michael Döveling. Küsterin Margret Döveling ergänzt: „Jesus muss nicht perfekt sein. Jesus macht ja im Laufe seines Lebens so einiges mit. Und bei uns beginnt das bereits als Junge.“ Die Schäden gehörten einfach mit zur Geschichte dieses ganz besonderen Christkindes, sind sich Mutter und Sohn einig - und sollen daher auch zu sehen sein.

Neu in der Krippenlandschaft in der Roruper Kirche sind in diesem Jahr vier Schafe. Eines davon spendete die kfd St. Agatha. Die löst sich zum Jahresende auf (DZ berichtete). Mit dem Geld, das sich noch in der Kasse befand, sei eines der neu angeschafften Tiere bezahlt worden, berichtet Michael Döveling.

 

Bericht und Fotos der Dülmener Zeitung, Kristina Kerstan

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